Bei meinen Vorträgen hatte ich gelegentlich den Eindruck, dass ein gewisses Informationsdefizit über den Klimawandel besteht. Auch hört man ab und zu Zweifel, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Um da ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen, gibt es diese Serie mit wesentlichen Fragen zum Klimawandel. Die Fragen und Antworten sind nicht von mir, sondern vom Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Die deutsche Übersetzung kommt von meinen Kollegen aus dem Klimabüro (REKLIM). Die Fragen und Antworten (FAQ) sind so formuliert, dass man sie als nicht Wissenschaftler verstehen kann.
Die Meereisdecken des Arktischen Ozeans und des Südlichen Ozeans rund um die Antarktis besitzen recht unterschiedliche Eigenschaften und verändern sich unterschiedlich im Verlaufe der Zeit. Während der letzten 34 Jahre (1979–2012) ist die mittlere jährliche Ausdehnung des Meereises in der Arktis um 3,8 % pro Jahrzehnt gesunken. Die durchschnittliche Dicke des arktischen Meereises im Winter hat von 1978 bis 2008 um etwa 1,8 m abgenommen, und das Gesamtvolumen (Masse) des arktischen Meereises nahm zu jeder Jahreszeit ab. Die schnellere Abnahme der Meereisausdehnung während des Sommerminimums stellt eine Folge dieser Entwicklung dar. Im Gegensatz dazu ist die Ausdehnung des antarktischen Meereises im selben 34-Jahres-Zeitraum leicht um 1,5 % pro Jahrzehnt angestiegen, jedoch zeigen die Änderungen um die Antarktis große regionale Unterschiede. Die verfügbaren Messungen der Meereisdicke in der Antarktis reichen nicht aus, um abschätzen zu können, ob das Gesamtvolumen (Masse) abnimmt, gleichbleibt oder zunimmt.
Ein großer Teil der gesamten arktischen Meereisbedeckung liegt nördlich von 60 °N (FAQ 4.1, Abbildung 1) und ist nach Süden hin von Land umgeben. Es gibt Öffnungen in den kanadisch-arktischen Archipel sowie in die Barents-, Bering- und Grönlandsee. Ein Teil des Eises im Arktischen Becken bleibt über mehrere Jahre erhalten und wächst durch das Gefrieren von Meerwasser an der Unterseite und durch Verformung (Aufschiebungen und Aufpressungen). Einjähriges Meereis wird maximal etwa zwei Meter dick, während Meereis, das älter als ein Jahr alt wird (mehrjähriges Eis), mehrere Meter dicker werden kann. Arktisches Meereis treibt innerhalb des Ozeanbeckens, angetrieben von Wind- und Meeresströmungen: Das mittlere Driftmuster besteht dabei vor allem aus einem sich im Uhrzeigersinn bewegendem Zirkulationsmuster in der westlichen Arktis sowie der Transpolardrift, die sibirisches Meereis durch die Arktis transportiert und dieses über die Framstraße aus dem Becken exportiert.
Satelliten, mit denen es möglich ist, zwischen Eis und offenen Wasserflächen zu unterscheiden, liefern ein Bild der Änderungen der Meereisbedeckung. Seit 1979 hat die über das Jahr gemittelte Ausdehnung des Meereises in der Arktis um 3,8 % pro Jahrzehnt abgenommen. Der Rückgang der Ausdehnung am Ende des Sommers (im späten September) war mit 11 % pro Jahrzehnt sogar noch größer; die Ausdehnung erreichte im Jahr 2012 ein Rekordminimum. Seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen hat das 10-Jahres-Mittel der minimalen Ausdehnung von arktischem Meereis im September für jedes Jahrzehnt abgenommen. Messungen mit U-Booten und Satelliten lassen vermuten, dass die Dicke des arktischen Meereises, und damit das Gesamtvolumen, ebenfalls abnehmen. Änderungen der relativen Mengen an mehrjährigem und einjährigem Meereis tragen zur Abnahme des Eisvolumens bei. Während des 34-jährigen Aufzeichnungszeitraums gingen seit 1979 pro Jahrzehnt etwa 17 % dieser Art des Eises durch Schmelzen und Abtransport aus dem Arktischen Meeresbecken verloren, seit 1999 sind es 40 %. Obwohl das jährlich von arktischem Meereis bedeckte Gebiet aufgrund der unterschiedlichen saisonalen Produktion schwanken kann, können sich die Anteile des dicken, mehrjährigen Eises und das Gesamteisvolumen des Meereises nur langsam erholen.
Anders als in der Arktis ist aufgrund der vorhandenen kontinentalen Landmasse die Meereisbedeckung der Antarktis auf Breitengrade nördlich von 78 °S beschränkt. Die antarktische Meereisbedeckung ist größtenteils saisonal, mit einer mittleren Dicke von nur ~1 m zum Zeitpunkt der maximalen Ausdehnung im September. Nur ein kleiner Anteil der Eisbedeckung überlebt das Sommerminimum im Februar, und älter als zwei Jahre wird antarktisches Meereis nur sehr selten. Die Eisgrenze ist dem offenen Ozean ausgesetzt, und die Schneefallrate über dem antarktischen Meereis ist höher als in der Arktis. Wenn die Schneelast durch den Schneefall ausreicht, um die Eisoberfläche unter den Meeresspiegel zu drücken, dringt Meerwasser in die Basis der Schneedecke ein und Schneeeis wird gebildet, wenn der so entstandene Schneeschlamm gefriert. Infolgedessen trägt die Schnee-zu-Eis-Umwandlung (sowie das Wachstum an der Eisunterseite wie in der Arktis) zum saisonalen Wachstum der Eisdicke und des Gesamteisvolumens in der Antarktis bei. Die Bildung von Schneeeis reagiert empfindlich auf Niederschlagsänderungen und somit auf Änderungen im regionalen Klima. Welche Folgen Niederschlagsänderungen auf die antarktische Meereisdicke und das Meereisvolumen haben, wird nach wie vor erforscht.
Die Nord-Süd-Ausdehnung des antarktischen Meereises ist aufgrund des Fehlens begrenzender Landmassen sehr unterschiedlich. In der Nähe der antarktischen Küste ist die Meereisdrift hauptsächlich von Osten nach Westen gerichtet, weiter im Norden hingegen von Westen nach Osten und stark divergierend. Im Weddell- und Rossmeer herrschen ausgeprägte, im Uhrzeigersinn verlaufende Zirkulationsmuster vor, die Eis nordwärts transportieren, während die Zirkulation um die Ostantarktis variabler ist. Die nördliche Ausdehnung der Meereisbedeckung wird teilweise durch die divergente Drift kontrolliert, die in Wintermonaten neue Eisbildung in offen bleibenden Wasserflächen (sogenannte Polynjas) entlang der Küstenlinien fördert. Diese Zonen der Eisbildung sorgen für salzhaltigeres und damit dichteres Meerwasser und sind eine der Hauptquellen für das tiefste in den globalen Ozeanen zu findende Bodenwasser.
Während derselben 34-jährigen Satellitenaufzeichnungen ist die jährliche Ausdehnung von Meereis in der Antarktis um 1,5 % pro Jahrzehnt gestiegen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede in den Trends, mit Abnahmen in der Bellingshausen- und Amundsensee, aber einem stärkeren Anstieg der Meereisausdehnung im Rossmeer, welcher den Gesamttrend dominiert. Ob der geringere Gesamtanstieg der antarktischen Meereisausdehnung als Klimaindikator aussagekräftig ist, ist ungewiss, da die Ausdehnung so stark von Jahr zu Jahr und von Ort zu Ort rund um den Kontinent schwankt. Ergebnisse einer aktuellen Studie deuten an, dass diese gegensätzlichen Trends in der Eisbedeckung von Änderungen der örtlichen Windgeschwindigkeit und der Windströmungsmuster verursacht werden. Ohne bessere Eisdicken- und Eisvolumenschätzungen ist es schwierig, Aussagen darüber zu machen, welche Folgen Klimaänderungen für die antarktische Meereisbedeckung haben und welche Klimafaktoren den größten Einfluss haben.
Es bestehen große Unterschiede in den physikalischen Rahmenbedingungen und Prozessen, die den Zustand der arktischen und antarktischen Meereisbedeckung beeinflussen und zu deren unterschiedlichen Reaktionen auf den Klimawandel beitragen. Die langen und ununterbrochenen Satellitenbeobachtungen zeichnen ein eindeutiges Bild vom Rückgang der arktischen Meereisbedeckung, wohingegen die vorhandenen Belege es nicht zulassen, belastbare Aussagen über die Gesamtänderungen des antarktischen Meereises und deren Gründe zu machen.
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Diese deutsche Übersetzung sollte zitiert werden als:
IPCC 2014: Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) [T.F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P.M. Midgley (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung durch die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle und Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg, Bonn, 2017.
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