Was passiert mit Kohlendioxid, nachdem es in die Atmosphäre eingebracht wurde? (FAQ 6.2)

Was passiert mit Kohlendioxid, nachdem es in die Atmosphäre eingebracht wurde? (FAQ 6.2)

Bei meinen Vorträgen hatte ich gelegentlich den Eindruck, dass ein gewisses Informationsdefizit über den Klimawandel besteht. Auch hört man ab und zu Zweifel, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Um da ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen, gibt es diese Serie mit wesentlichen Fragen zum Klimawandel. Die Fragen und Antworten sind nicht von mir, sondern vom Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Die deutsche Übersetzung kommt von meinen Kollegen aus dem Klimabüro (REKLIM). Die Fragen und Antworten (FAQ) sind so formuliert, dass man sie als nicht Wissenschaftler verstehen kann.

Nachdem Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre eingebracht wurde, wird es zunächst schnell zwischen der Atmosphäre, dem oberen Ozean und der Vegetation verteilt. Anschließend wird der Kohlenstoff weiterhin zwischen den verschiedenen Reservoirs des globalen Kohlenstoffkreislaufs, wie Böden, dem tieferen Ozean und Gesteinen, ausgetauscht. Manche dieser Austauschprozesse finden sehr langsam statt. Je nach Menge des freigesetzten CO2 verbleiben zwischen 15 % und 40 % bis zu 2 000 Jahre lang in der Atmosphäre; danach stellt sich ein neues Gleichgewicht zwischen der Atmosphäre, der Landbiosphäre und dem Ozean ein.

Geologische Prozesse werden irgendwo zwischen Zehn- und Hunderttausenden von Jahren und möglicherweise noch länger brauchen, um den Kohlenstoff weiter in den geologischen Speichern umzuverteilen. Höhere atmosphärische CO2-Konzentrationen und damit verbundene klimatische Folgen von heutigen CO2-Emissionen werden daher für eine sehr lange Zeit in die Zukunft andauern.

CO2 ist ein größtenteils nicht-reaktives Gas, das in weniger als einem Jahr schnell in der gesamten Troposphäre verteilt wird. Anders als reaktive chemische Verbindungen wie beispielsweise Methan, die durch Senkenprozesse aus der Atmosphäre entfernt oder abgebaut werden, wird Kohlendioxid zwischen den verschiedenen Speichern des globalen Kohlenstoffkreislaufs umverteilt und letztendlich auf einer Vielzahl von Zeitskalen in die Atmosphäre zurückgeführt. FAQ 6.2, Abbildung 1 zeigt ein vereinfachtes Schema des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Die Pfeile bezeichnen typische Zeitspannen, über die Kohlenstoffatome durch die verschiedenen Speicher weitergeleitet werden.

Vor dem Industriezeitalter war der globale Kohlenstoffkreislauf annähernd im Gleichgewicht. Dies kann aus Eisbohrkernmessungen abgeleitet werden, die eine nahezu konstante atmosphärische CO2-Konzentration während der letzten paar tausend Jahre vor dem Industriezeitalter zeigen. Anthropogene Kohlendioxidemissionen in die Atmosphäre haben dieses Gleichgewicht allerdings gestört. Mit steigenden globalen CO2-Konzentrationen werden die Austauschprozesse zwischen CO2 und der Meeresoberfläche und der Vegetation verändert, wie auch der nachfolgende Austausch in und zwischen den Kohlenstoffspeichern an Land, im Ozean und letztendlich der Erdkruste. Auf diesem Weg wird der zugefügte Kohlenstoff durch den globalen Kohlenstoffkreislauf umverteilt, bis der Austausch zwischen den verschiedenen Kohlenstoffspeichern ein neues, angenähertes Gleichgewicht erreicht hat.

Über dem Ozean passieren CO2-Moleküle die Luft-Wasser-Grenzfläche durch Gasaustausch. Im Meerwasser reagiert CO2mit Wassermolekülen zu Kohlensäure, die im Ozean sehr schnell mit dem großen Reservoir an gelöstem anorganischem Kohlenstoff – Bikarbonatund Karbonationen – reagiert. Strömungen und die Bildung von absinkendem, dichterem Wasser transportieren den Kohlenstoff zwischen der Oberfläche und den tieferen Schichten des Ozeans. Marine Organismen verteilen Kohlenstoff ebenfalls um: Sie bilden organisches Gewebe und Kalkschalen im Oberflächenwasser, die nach ihrem Tod in tieferes Wasser absinken, wo sie durch Zersetzung und mikrobiellen Abbau in das Reservoir gelösten anorganischen Kohlenstoffs zurückkehren. Ein kleiner Teil erreicht den Meeresboden und wird in den Sedimenten abgelagert. 

Der zusätzliche Kohlenstoff aus anthropogenen Emissionen-Moleküle aus der Luft ins Meer erhöht. Infolgedessen erreichen bewirkt, dass der atmosphärische Kohlendioxidpartialdruck ansteigt, was wiederum den Austausch der CO2-Moleküle aus der Luft ins Meer erhöht. Im Oberflächenozean reagiert die Karbonatchemie schnell auf dieses zusätzliche CO2. Infolgedessen erreichen seichte Oberflächenwasser ein Gleichgewicht mit der Atmosphäre innerhalb von ein bis zwei Jahren. Die Verbringung des Kohlenstoffs von der Oberfläche in die mittleren und tieferen Wasserschichten braucht länger – Jahrzehnte bis viele Jahrhunderte. Über noch längere Zeiträume löst die Versauerung durch das eindringende CO2 kalkhaltige Sedimente am Meeresboden auf, was die CO2-Aufnahme durch den Ozean weiter verstärkt. 

Nach heutiger Ansicht bleibt jedoch das Planktonwachstum annähernd unverändert, wenn sich die Ozeanzirkulation nicht wesentlich verändert, weil es hauptsächlich von Umweltfaktoren wie Nährstoffen und Licht begrenzt wird und nicht von der Verfügbarkeit an anorganischem Kohlenstoff. Es trägt nicht nachweislich zur Aufnahme von anthropogenem COdurch den Ozean bei.

An Land nimmt die Vegetation CO2 durch Photosynthese auf und wandelt es in organisches Material um. Ein Teil dieses Kohlenstoffs kehrt durch die Atmung der Pflanzen sofort als CO2 in die Atmosphäre zurück. Den Rest nutzen die Pflanzen für ihr Wachstum. Totes pflanzliches Material wird in die Böden eingebunden, um schließlich von Mikroorganismen abgebaut und dann über deren Atmung als CO2 zurück in die Atmosphäre abgegeben zu werden. Zusätzlich wird Kohlenstoff in der Vegetation und den Böden durch Feuer, Insekten, Pflanzenfresser sowie durch die Ernte von Pflanzen und den anschließenden Konsum durch Vieh oder Menschen ebenfalls wieder zu CO2 umgewandelt. Etwas organischer Kohlenstoff wird zudem durch Ströme und Flüsse in den Ozean befördert.

Ein Anstieg von atmosphärischem CO2 regt die Photosynthese an und dadurch die Kohlenstoffaufnahme. Zusätzlich helfen erhöhte CO2-Konzentrationen Pflanzen in trockenen Gebieten, Grundwasser effizienter zu nutzen. Dies wiederum er höht die Biomasse der Vegetation und in den Böden und begünstigt so eine Kohlenstoffsenke an Land. Die Größe dieser Senke hängt jedoch auch entscheidend von anderen Faktoren ab, wie beispielsweise Wasser und Nährstoffverfügbarkeit.

Gekoppelte Klima-Kohlenstoffkreislauf-Modelle zeigen, dass weniger Kohlenstoff durch den Ozean und das Land aufgenommen werden, wenn das Klima sich erwärmt, was einen positiven Rückkopplungseffekt erzeugt. Viele verschiedene Faktoren tragen zu diesem Effekt bei: Wärmeres Meerwasser hat zum Beispiel eine niedrigere CO2-Löslichkeit, sodass veränderte chemische Kohlenstoffreaktionen zur geringeren Aufnahme des zusätzlichen atmosphärischen CO2 durch den Ozean führen. An Land begünstigen höhere Temperaturen längere saisonale Wachstumsphasen in gemäßigten und höheren Breiten, aber auch eine schnellere Respiration von Bodenkohlenstoff. Die Zeit, die benötigt wird, um ein neues Gleichgewicht der Kohlenstoffverteilung zu erreichen, hängt von den Transportgeschwindigkeiten von Kohlenstoff durch die verschiedenen Speicher ab und erfolgt auf einer Vielzahl von Zeitskalen. Kohlenstoff wird zuerst zwischen den „schnellen“ Kohlenstoffspeichern ausgetauscht, wie beispielsweise der Atmosphäre, dem Oberflächenozean, der Landvegetation und den Böden, über Zeiträume von bis zu einigen Jahrtausenden. Über längere Zeiträume werden sehr langsame sekundäre geologische Prozesse wie die Auflösung von kalkhaltigen Sedimenten und Sedimenteinlagerung in die Erdkruste wichtig.

FAQ 6.2, Abbildung 2 erläutert den Abbau einer großen, überschüssigen Menge CO2 (5 000 PgC, oder etwa zehnmal so viel CO2, wie seit dem Industriezeitalter insgesamt freigesetzt wurde), die in die Atmosphäre ausgestoßen wurde, und zeigt deren Umverteilung zwischen Land und Ozean im Laufe der Zeit. In den ersten 200 Jahren nehmen Ozean und Land ähnliche Mengen an Kohlenstoff auf. Über längere Zeiträume dominiert die Aufnahme durch den Ozean hauptsächlich aufgrund seiner größeren Speichergröße (~38 000 PgC) im Vergleich zum Land (~4 000 PgC) und der Atmosphäre (589 PgC vor dem Industriezeitalter). Aufgrund der Ozeanchemie ist die ursprünglich eingebrachte Menge an CO2 von Bedeutung: Höhere Emissionen bedeuten, dass ein größerer Teil des Kohlendioxids in der Atmosphäre verbleiben wird. Nach 2000 Jahren wird die Atmosphäre immer noch zwischen 15 % und 40 % dieser ursprünglichen CO2– Emissionen enthalten. Eine weitere Reduktion durch die Auflösung kalkhaltiger Sedimente und Reaktionen mit magmatischem Gestein, wie beispielsweise Silikatverwitterung und Sedimenteinlagerung, wird irgendwo zwischen Zehn- und Hunderttausenden von Jahren oder noch länger dauern.

FAQ 6.2, Abbildung 1 | Vereinfachtes Schema des globalen Kohlenstoffkreislaufs, das die typischen Zeitskalen für den Transport durch die wichtigsten Speicher zeigt.
FAQ 6.2, Abbildung 2 | Abbau einer überschüssigen CO2-Menge von 5000 PgC, die zum Zeitpunkt Null in die Atmosphäre abgegeben wurde, und deren anschließende Umverteilung an Land und im Ozean in Abhängigkeit von der Zeit, berechnet mit Hilfe von gekoppelten Klima-Kohlenstoffkreislauf-Modellen. Die Breite der Farbbereiche gibt die Kohlenstoffaufnahme durch den jeweiligen Speicher an. Die ersten beiden Tafeln zeigen den Multi-Modell-Mittelwert von einem Modellvergleichsprojekt (Joos et al., 2013). Die letzte Tafel zeigt die längerfristige Umverteilung einschließlich der Auflösung kalkhaltiger Sedimente im Ozean, berechnet mit einem Erdsystemmodell mittlerer Komplexität (nach Archer et al., 2009b).

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Diese deutsche Übersetzung sollte zitiert werden als:

IPCC 2014: Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) [T.F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P.M. Midgley (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung durch die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle und Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg, Bonn, 2017.

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