Könnte eine schnelle Freisetzung von Methan und Kohlendioxid aus tauendem Permafrost oder aus der Ozeanerwärmung die Erwärmung wesentlich erhöhen? (FAQ 6.1)

Könnte eine schnelle Freisetzung von Methan und Kohlendioxid aus tauendem Permafrost oder aus der Ozeanerwärmung die Erwärmung wesentlich erhöhen? (FAQ 6.1)

Bei meinen Vorträgen hatte ich gelegentlich den Eindruck, dass ein gewisses Informationsdefizit über den Klimawandel besteht. Auch hört man ab und zu Zweifel, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Um da ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen, gibt es diese Serie mit wesentlichen Fragen zum Klimawandel. Die Fragen und Antworten sind nicht von mir, sondern vom Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Die deutsche Übersetzung kommt von meinen Kollegen aus dem Klimabüro (REKLIM). Die Fragen und Antworten (FAQ) sind so formuliert, dass man sie als nicht Wissenschaftler verstehen kann.

Permafrost ist dauerhaft gefrorener Boden, der hauptsächlich in den hohen Breiten der Arktis zu finden ist. Permafrost, einschließlich des submarinen Permafrosts auf den flachen Schelfgebieten des arktischen Ozeans, enthält alte organische Kohlenstoffablagerungen. Manche sind Relikte der letzten Eiszeit und enthalten mindesten doppelt so viel Kohlenstoff, wie derzeit in der Atmosphäre als Kohlendioxid (CO2) enthalten ist. Sollte ein erheblicher Anteil dieses Kohlenstoffs als Methan und CO2 freigesetzt werden, würde dies die atmosphärischen Konzentrationen ansteigen lassen, was zu höheren Temperaturen in der Atmosphäre führen würde. Diese Erwärmung würde wiederum noch mehr Methan und CO2freisetzen und damit einen positiven Rückkopplungseffekt bewirken, der die globale Erwärmung weiter verstärken würde.

Das Gebiet der Arktis stellt derzeit eine Netto-Senke von CO2 dar und speichert etwa 0,4 ± 0,4 PgC pro Jahr in der wachsenden Vegetation, was etwa 10 % der derzeitigen globalen Landsenken ausmacht. Es ist zudem eine leichte Methanquelle (CH4): Zwischen 15 und 50 Tg (CH4) pro Jahr werden zumeist von saisonal auftauenden Feuchtgebieten emittiert, dies entspricht etwa 10 % der weltweiten Methanquellen aus Feuchtgebieten. Es gibt noch keine eindeutigen Belege dafür, dass das Auftauen signifikant zur aktuellen globalen Bilanz dieser beiden Treibhausgase beiträgt. Allerdings zeigen Modellstudien und Expertenbeurteilungen mit mittlerer Übereinstimmung, dass unter einer anhaltenden arktischen Erwärmung eine potentielle kombinierte Freisetzung in der Größenordnung von bis zu 350 PgC als CO2-Äquivalent bis zum Jahr 2100 auftreten könnte.

Permafrostböden an Land und auf dem Schelf der Ozeane enthalten große Reservoire organischen Kohlenstoffs, die auftauen und von Mikroorganismen abgebaut werden müssen, bevor sie – hauptsächlich als CO2 – freigesetzt werden können. Dort, wo Sauerstoff limitiert ist, wie in wassergesättigten Böden, produzieren einige Mikroorganismen auch Methan.

An Land ist Permafrost von einer aktiven oberen Bodenschicht (active layer) überlagert, die während des Sommers auftaut und einen Teil des Tundra-Ökosystems bildet. Falls die Frühlings- und Sommertemperaturen im Durchschnitt wärmer werden, wird der sommerliche Auftauboden mächtiger, wodurch mehr organischer Kohlenstoff für die mikrobielle Zersetzung zur Verfügung stünde. Allerdings würden wärmere Sommer auch zu einer größeren Aufnahme von Kohlendioxid durch die arktische Vegetation über Photosynthese führen. Das bedeutet, dass die arktische Netto-Kohlenstoff-Bilanz ein empfindliches Gleichgewicht zwischen verstärkter Aufnahme und verstärkter Abgabe von Kohlenstoff darstellt.

Die hydrologischen Bedingungen während des sommerlichen Auftauens sind ebenfalls wichtig. Das Schmelzen von überschüssigem Grundeis könnte zu stehenden Wasserkörpern in Tümpeln und Seen führen, wo aufgrund von Sauerstoffmangel Methan produziert würde. Das komplexe Verhalten der arktischen Landschaft unter einer Klimaerwärmung bedeutet, dass wir geringes Vertrauen darin haben, welcher dieser verschiedenen Prozesse im regionalen Maßstab dominieren könnte. Wärmediffusion und das Tauen des Permafrosts brauchen Zeit – tatsächlich kann der tiefere arktische Permafrost als Relikt der letzten Eiszeit angesehen werden, der immer noch langsam erodiert – sodass jeglicher signifikante Verlust an Kohlenstoff aus Permafrostböden über lange Zeitskalen geschehen wird.

Ist ausreichend Sauerstoff vorhanden, wird die Zersetzung von organischem Material im Boden von der Freisetzung von Wärme durch Mikroorganismen begleitet (ähnlich wie beim Kompostieren), was während des Sommers möglicherweise ein weiteres Auftauen des Permafrosts verursachen könnte. Abhängig von den Kohlenstoff- und Eisgehalten im Permafrost und den hydrologischen Gegebenheiten könnte dieser Mechanismus unter Erwärmung einen relativ schnellen lokalen Permafrostabbau auslösen.

Modellstudien über Permafrostdynamik und Treibhausgasemissionen zeigen eine relativ langsame positive Rückkopplung auf Zeitskalen von mehreren hundert Jahren. Bis zum Jahr 2100 könnten bis zu 250 PgC als CO2 freigesetzt werden und bis zu 5 Pg als CH4. Angesichts des größeren Treibhauspotentials von Methan entspricht dies weiteren 100 PgC Kohlendioxidäquivalent, die bis zum Jahr 2100 freigesetzt würden. Diese Mengen sind ähnlich groß wie bei anderen biogeochemischen Rückkopplungen, wie beispielsweise das zusätzliche CO2, das durch die globale Erwärmung aus terrestrischen Böden freigesetzt wird. Die derzeitigen Modelle schließen jedoch nicht die gesamte Komplexität arktischer Prozesse mit ein, die auftreten, wenn Permafrost auftaut, wie beispielsweise die Bildung von Seen und Tümpeln.

Methanhydrate sind eine andere Form gefrorenen Kohlenstoffs, die in tiefen Permafrostböden, ozeanischen Schelfen, Kontinentalhängen und tieferen Bodensedimenten des Ozeans auftreten. Sie bestehen aus Clustern von Methan und Wassermolekülen, die nur in einem bestimmten Bereich niedriger Temperaturen und hohen Druckes stabil sind. An Land und im Ozean entstehen die meisten dieser Hydrate aus marinem oder terrestrischem biogenem Kohlenstoff, der in Abwesenheit von Sauerstoff abgebaut und in einer aquatischen Umgebung unter geeigneten Temperatur-Druck-Bedingungen fixiert wird.

Jegliche Erwärmung von Permafrostböden, Ozeanwasser und -sedimenten und/oder Druckänderungen könnten diese Hydrate destabilisieren und das enthaltene CH4 in den Ozean freisetzen. Während größerer, sporadischer Freisetzungen könnte ein Teil dieses CH4 auch in die Atmosphäre ausgasen. Diese Hydrate sind in großen Mengen vorhanden: allein in der Arktis könnte zehnmal mehr CH4 als Hydrate gespeichert sein als momentan in der globalen Atmosphäre vorhanden ist.

Wie das Tauen von Permafrost ist die Freisetzung von Hydraten an Land ein langsamer Prozess, der Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauert. Die tieferen Ozeanregionen und Meeressedimente werden noch länger brauchen – Jahrhunderte bis Jahrtausende – um sich so zu erwärmen, dass die in ihnen vorhandenen Hydrate destabilisiert werden. Außerdem muss das in tieferen Gewässern freigesetzte Methan die Erdoberfläche und die Atmosphäre erreichen, bevor es klimatisch aktiv werden kann. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der Großteil von Mikroorganismen verbraucht wird, bevor es dort ankommt. Nur das CHaus Hydraten in flachen Schelfen, wie beispielsweise im arktischen Ozean nördlich von Ostsibirien, könnte tatsächlich die Atmosphäre erreichen und klimatische Folgen haben.

Mehrere neuere Studien haben lokal signifikante CH4-Emissionen über dem arktisch-sibirischen Schelf und aus sibirischen Seen nachgewiesen. Es ist nicht bekannt, wieviel von diesem CH4 aus organischem Kohlenstoff, der zersetzt wird, oder aus destabilisierten Hydraten stammt. Es stehen auch keine Belege zur Verfügung, um festzustellen, ob diese Quellen durch jüngste regionale Erwärmung angeregt wurden, oder ob sie schon immer existiert haben – es wäre möglich, dass diese CH4-Austritte seit dem letzten Gletscherrückzug vorhanden sind. In jedem Fall leisten diese Quellen einen sehr kleinen Beitrag zum globalen CH4-Budget – weniger als 5 %. Dies wird auch durch Beobachtungen atmosphärischer Methankonzentrationen bestätigt, die keine wesentlichen Anstiege über der Arktis zeigen.

Dennoch weisen Modellstudien und Expertenbeurteilungen darauf hin, dass CH4– und CO2-Emissionen ansteigen und einen positiven Rückkopplungseffekt auslösen werden, wenn sich die Arktis erwärmt. Über Jahrhunderte wird dieser Rückkopplungseffekt moderat sein: in einer Größenordnung ähnlich wie andere Rückkopplungen zwischen Klima und terrestrischen Ökosystemen. Über Jahrtausende und länger sind jedoch CO2– und CH4-Freisetzungen aus Permafrost und Schelfen/Kontinentalhängen viel bedeutender, weil große Kohlenstoff- und Methanhydratreservoire beteiligt sind.

FAQ 6.1, Abbildung 1 | Vereinfachte Darstellung der gegenwärtigen wichtigsten Kohlenstoffreservoire und -Flüsse in der arktischen Region, einschließlich der Permafrostgebiete an Land, der Festlandsockel und des Ozeans. (nach McGuire et al., 2009; und Tarnocai et al., 2009) TgC = 1012 gC und PgC = 1015 gC.

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Diese deutsche Übersetzung sollte zitiert werden als:

IPCC 2014: Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) [T.F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P.M. Midgley (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung durch die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle und Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg, Bonn, 2017.

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