Ist die Sonne ein wesentlicher Treiber der jüngsten Klimaänderungen? (FAQ 5.1)

Ist die Sonne ein wesentlicher Treiber der jüngsten Klimaänderungen? (FAQ 5.1)

Bei meinen Vorträgen hatte ich gelegentlich den Eindruck, dass ein gewisses Informationsdefizit über den Klimawandel besteht. Auch hört man ab und zu Zweifel, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Um da ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen, gibt es diese Serie mit wesentlichen Fragen zum Klimawandel. Die Fragen und Antworten sind nicht von mir, sondern vom Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Die deutsche Übersetzung kommt von meinen Kollegen aus dem Klimabüro (REKLIM). Die Fragen und Antworten (FAQ) sind so formuliert, dass man sie als nicht Wissenschaftler verstehen kann.

Die Leistungsdichte der Sonneneinstrahlung (total solar irradiance, TSI, Kapitel 8) ist ein Maß für die Gesamtenergie, die von der Sonne am oberen Rand der Atmosphäre ankommt. Sie variiert über eine große Bandbreite an Zeitskalen, von Milliarden Jahren bis zu nur ein paar Tagen, doch waren die Schwankungen in den letzten 140 Jahren relativ klein. Änderungen der Sonneneinstrahlung sind – zusammen mit Vulkanemissionen und anthropogenen Einflüssen – ein wichtiger Treiber von Klimavariabilität (Kapitel 1; Abbildung 1.1). Als solche helfen sie, die beobachteten Änderungen der globalen Erdoberflächentemperaturen seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen (FAQ 5.1, Abbildung 1; Kapitel 10) und über das letzte Jahrtausend zu erklären. Während die Variabilität der Sonne einen wahrnehmbaren Beitrag zu den Änderungen der globalen Erdoberflächentemperaturen im frühen 20. Jahrhundert gehabt haben könnte, erklärt sie nicht den Anstieg, der beobachtet wurde, seit die Leistungsdichte der Sonneneinstrahlung (TSI) in den späten 1970er Jahren direkt über Satelliten gemessen wurde (Kapitel 8, 10).

Der Kern der Sonne ist ein enormer Kernfusionsreaktor, der Wasserstoff in Helium umwandelt. Dieser Prozess erzeugt Energie, die als elektromagnetische Strahlung durch das gesamte Sonnensystem strahlt. Die Energiemenge, die auf den oberen Rand der Atmosphäre der Erde auftrifft, hängt von der Erzeugung und Freisetzung elektromagnetischer Energie durch die Sonne und von der Umlaufbahn der Erde um die Sonne ab.

Satelliteninstrumente haben die TSI seit 1978 direkt gemessen und deuten darauf hin, dass im Durchschnitt ~1361 Watt/m2 den oberen Rand der Erdatmosphäre erreichen. Teile der Erdoberfläche, Luftverschmutzung und Wolken in der Atmosphäre wirken wie ein Spiegel und reflektieren rund 30 % dieser Energie zurück ins Weltall. Höhere TSI-Werte werden aufgezeichnet, wenn die Sonne aktiver ist. Die Schwankungen der Strahlungsaktivität folgen annähernd dem 11-Jahres-Sonnenfleckenzyklus: Während der letzten Zyklen schwankten die TSI-Werte im Durchschnitt um etwa 0,1 %.

Für die Zeit, bevor es Satellitenmessungen gab, müssen Schwankungen der TSI über die Anzahl der Sonnenflecken (zurückdatierend bis 1610) oder über Radioisotope, die in der Atmosphäre gebildet und in Polareis und Baumringen archiviert wurden, abgeschätzt werden. Ausgeprägte 50- bis 100-Jahresperioden mit sehr geringer Sonnenaktivität – wie das Maunder-Minimum zwischen 1645 und 1715 – werden allgemein als große Minima der Sonnenaktivität (grand solar minima) bezeichnet. Die meisten Schätzungen der TSI-Änderungen zwischen dem Maunder-Minimum und der heutigen Zeit liegen in der Größenordnung von 0,1 %, ähnlich der Amplitude der 11-Jahres-Variabilität.

Wie kann die Variabilität der Sonnenaktivität helfen, die seit 1870 aufgezeichneten globalen Erdoberflächentemperaturen zu erklären? Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu verstehen, dass auch andere Klimaantriebe beteiligt sind, die jeweils charakteristische Muster regionaler Klimareaktionen hervorrufen. Dennoch ist es die Kombination all dieser Faktoren, die den beobachteten Klimawandel verursacht. Schwankungen der Sonnenaktivität und Vulkanausbrüche sind natürliche Faktoren. Anthropogene (durch den Menschen verursachte) Faktoren hingegen beinhalten Änderungen der Treibhausgaskonzentrationen sowie Emissionen sichtbarer Luftverschmutzung (Aerosole) und anderer Substanzen, die von Aktivitäten des Menschen herrühren. „Interne Variabilität“ bezieht sich auf Schwankungen innerhalb des Klimasystems, zum Beispiel aufgrund von Wetterschwankungen oder Phänomenen wie El Niño-Southern Oscillation (ENSO).

Die relativen Beiträge dieser natürlichen und anthropogenen Faktoren verändern sich mit der Zeit. FAQ 5.1, Abbildung 1 verdeutlicht diese Beiträge basierend auf einer sehr einfachen Berechnung, in der die Schwankung der mittleren globalen Erdoberflächentemperatur die Summe von vier Komponenten repräsentiert, die linear mit dem Antrieb durch die Sonne, Vulkane, anthropogene Einflüsse und die interne Variabilität verbunden sind. Die globale Oberflächentemperatur hat von 1870 bis 2010 um ungefähr 0,8 °C zugenommen (FAQ 5.1, Abbildung 1a). Dieser Anstieg war jedoch nicht gleichmäßig: zu manchen Zeiten überwogen Faktoren, die die Erdoberfläche abkühlen lassen – Vulkanausbrüche, verringerte Sonnenaktivität, die meisten anthropogenen Aerosolemissionen – gegenüber den erwärmenden Faktoren, wie zum Beispiel Treibhausgasen. Zudem hat die innerhalb des Klimasystems erzeugte Variabilität weitere Schwankungen verursacht, die nicht mit externen Einflüssen zusammenhängen.

Der Beitrag der Sonne zu den beobachteten Änderungen der globalen Erdoberflächentemperatur wird von dem 11-Jahres-Sonnenzyklus dominiert, mit dem Schwankungen der globalen Temperatur von bis zu 0,1 °C zwischen Minimum und Maximum erklärt werden können (FAQ 5.1, Abbildung 1b). Ein langfristiger Aufwärtstrend der Sonnenaktivität Anfang des 20. Jahrhunderts könnte die beobachtete Erwärmung in diesem Zeitraum verstärkt haben, im Zusammenspiel mit interner Variabilität, dem Anstieg von Treibhausgasemissionen und einer Vulkanismuspause. Hiermit kann jedoch nicht der beobachtete Anstieg seit den späten 1970er Jahren erklärt werden, und es gab sogar einen leichten Abwärtstrend der TSI von 1986 bis 2008 (Kapitel 8 und 10).

Vulkanausbrüche tragen zur Änderung der globalen Erdoberflächentemperatur bei, indem sie episodisch Aerosole in die Atmosphäre einbringen, die die Erdoberfläche abkühlen (FAQ 5.1, Abbildung 1c). Große Vulkanausbrüche, wie beispielweise der Ausbruch des Mt. Pinatubo 1991, können die Erdoberfläche für bis zu drei Jahre um 0,1 °C bis 0,3 °C abkühlen.

Der wichtigste Bestandteil der internen Klimavariabilität ist El Niño-Southern Oscillation, die einen entscheidenden Einfluss auf die Jahr-zu-Jahr-Schwankungen der mittleren tropischen und globalen Durchschnittstemperatur hat (FAQ 5.1, Abbildung 1d). Während El Niño-Ereignissen wurden relativ hohe Jahrestemperaturen beobachtet, wie beispielweise 1997−1998.

Die Variabilität der von 1870 bis 2010 beobachteten globalen Erdoberflächentemperaturen (FAQ 5.1, Abbildung 1a) spiegelt die kombinierten Einflüsse natürlicher (Sonne, Vulkane, interne Variabilität; FAQ 5.1, Abbildung 1b-d) Faktoren wider, plus dem mehrere Jahrzehnte andauernden Erwärmungstrend durch anthropogene Faktoren (FAQ 5.1, Abbildung 1e).

Vor 1870, als die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen und Aerosolen geringer waren, spielten Änderungen der Sonnen- und Vulkanaktivität und interne Variabilität eine wichtigere Rolle, auch wenn die genauen Beiträge dieser einzelnen Faktoren zur globalen Erdoberflächentemperatur weniger sicher sind. Minima der Sonnenaktivität, die mehrere Jahrzehnte andauerten, brachten oft kalte Bedingungen mit sich. Allerdings sind diese Zeiträume häufig auch durch Vulkanausbrüche beeinflusst, was es schwierig macht, den Beitrag der Sonne zu quantifizieren.

Auf der regionalen Ebene wurden Änderungen der Sonnenaktivität mit Änderungen des Oberflächenklimasund der atmosphärischen Zirkulation in  den indopazifischen, nordasiatischen und nordatlantischen Regionen in Zusammenhang gebracht. Zu den Mechanismen, die die regionalen Effekte der relativ kleinen TSI-Schwankungen in dem annähernd elf Jahre dauernden Sonnenzyklus verstärken, gehören dynamische Interaktionen zwischen der oberen und der unteren Atmosphäre sowie zwischen der Meeresoberflächentemperatur und der Atmosphäre. Sie haben einen geringen Einfluss auf die mittleren globalen Temperaturen (siehe Box 10.2). Schließlich führte eine Abnahme der Sonnenaktivität während des vergangenen Solarminimums vor ein paar Jahren zu der Frage ihres zukünftigen Einflusses auf das Klima (FAQ 5.1, Abbildung 1b). Obwohl es Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Sonnenaktivität gibt, besteht hohes Vertrauen darin, dass die Effekte der Sonnenaktivität innerhalb des Bereichs großer Maxima und Minima deutlich kleiner ausfallen werden als die Änderungen, die durch anthropogene Effekte verursacht werden.

FAQ 5.1, Abbildung 1 | Anomalien der globalen Erdoberflächentemperatur von 1870 bis 2010 und die natürlichen (Sonne, Vulkanismus, interne Variabilität) und anthropogenen Faktoren, die sie beeinflussen. (a) Zeitreihe der globalen Erdoberflächentemperatur (1870–2010) relativ zum Mittelwert der globalen Erdoberflächentemperatur im Zeitraum 1961–1990 (schwarze Linie). Dazu eine Modellreihe der Änderung der globalen Erdoberflächentemperatur (a: rote Linie) erzeugt unter Verwendung der Summe der Einflüsse natürlicher (b, c, d) und anthropogener (e) Faktoren auf die Temperatur. (b) Geschätzte Reaktion der Temperatur auf solaren Antrieb. (c) Geschätzte Reaktion der Temperatur auf Vulkanausbrüche. (d) Geschätzte Temperaturvariabilität aufgrund der internen Variabilität, hier bezogen auf El Niño-Southern Oscillation. (e) Geschätzte Reaktion der Temperatur auf den anthropogenen Antrieb, zusammengesetzt aus einer temperaturerhöhenden Komponente durch Treibhausgase und einer abkühlenden Komponente durch die meisten Aerosole.

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Diese deutsche Übersetzung sollte zitiert werden als:

IPCC 2014: Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) [T.F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P.M. Midgley (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung durch die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle und Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg, Bonn, 2017.

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