Im vorliegenden Teil 3 der Serie geht es um die technischen Details und praktische Umsetzung des durchgeführten Umbaus der Segelyacht INFINITY auf Lithium Batterien.
Im ersten Teil wurde eine Entscheidung getroffen, welche Lithium-Ionen Technologie zukünftig auf der INFINITY eingesetzt werden soll (siehe Teil 1). Der zweite Teil behandelt die technische Grundlagen für den Umbau einer vorhandenen AGM-Batteriebank auf LFP-Lithium-Ionen-Batterien. (siehe Teil 2)
Zwei Batterie Management Systeme (BMS) zur Erhöhung der Sicherheit
Auf der INFINITY gibt es zwei BMS mit aufgeteilten und erweiterten Aufgaben. Das Master BMS ist mit dem Slave BMS in der Batterie über einen dedizierten CAN-Bus verbunden.
Das Slave-BMS ist für die Überwachung der Betriebsparameter der LFP-Batterie zuständig und befindet sich innerhalb des Batteriegehäuses. Es werden Zellenspannung, Zellentemperatur, Temperatur der Anschlussterminals und der Lade/Entladestrom überwacht. Außerdem ist das Slave-BMS für das Balancing der Zellen zuständig.
Das Master-BMS verarbeitet die Informationen aus dem Slave-BMS, überprüft dieses und leitet entsprechende Aktionen ein. Es steuert digital über DVCC den Ladevorgang durch den MultiPlus. Zur Sicherheit ist im Master-BMS ein Hochstrom-Relay verbaut, das im Fehlerfall (falls die anderen Sicherheitseinrichtungen versagen) die Batterie vom restlichen System trennt, bevor die LFP-Batterie Schaden nimmt, oder eine gefährliche Situation entsteht. Es enthält auch die Sammelschienen für den Anschluß der Batterie- und Verbraucher- Kabel. Es können je Seite bis zu vier Kabelpaare angeschlossen werden. Jedes dieser insgesamt 8 Kabelpaare wird zusätzlich über eine Hochstrom-Sicherung abgesichert. Auf der INFINITY verwende ich jeweils 50 mm2 Kabel für den Anschluss der Batterie und der Hauptverteilung. Jede Seite ist mit einer 250A Sicherung abgesichert. Zusätzlich ist in der LFP-Batterie noch eine 300A Sicherung verbaut. Damit ist der Hochstrom-Bereich der Installation 3-fach redundant abgesichert. Nach meiner Meinung ist das etwas üppig, macht aber aufgrund des hohen Gefahrenpotentials durchaus Sinn und wurde von mir auch so umgesetzt.
Digitale Ladekontrolle mit dem CERBO GX
Das Master-BMS von MG Energy Systems ist über einen zusätzlichen CAN-Bus mit dem NMEA2000 Netzwerkes der INFINITY verbunden. Das auf der INFINITY eingesetzte MultiPlus Ladegerät/Inverter hat jedoch keinen NMEA2000 Anschluß sondern nur den Hersteller spezifischen VE.Bus von Victron Energy. Damit die digitale Ladekontrolle mit DVCC herstellerübergreifend funktioniert, benötigt man ein Gateway zur Verbindung der beiden BUS-Systeme. Der CERBO GX von Victron ist solch ein Steuerrechner, der diese Aufgabe übernehmen kann. Er hat noch viele zusätzliche Features, die aber im Zusammenhang mit dem hier beschriebenen Umbau auf Lithium nicht so wichtig sind.
Abschalten der Lichtmaschine bei voller Batterie
Eine weitere Hürde bei einem Umbau auf Lithium ist das Laden unter Maschine. In der INFINITY habe ich eine verstärkte Lichtmaschine von CAV, die 1.600 Watt liefert. Das entspricht einem Ladestrom von ca. 60A bei einer 24V Anlage. Seither wurde damit die Service Bank sehr effektiv über eine Trenndiode aufgeladen. Was passiert aber, wenn die LFP-Batterie voll ist und die vorhandene Lichtmaschine sich nicht Digital über DVCC regeln lässt?
Zur Lösung des Problems habe ich ein spezielles Relay (Cyrix-Li-Charge 12/24-120) nach der Trenndiode in die Ladeleitung eingefügt. Sobald die LFP-Batterie voll ist, trennt das BMS die Ladeleitung der Service-Batterie von der Lichtmaschine und es wird nur noch die Starter-Batterie geladen.
Wie wird auf der INFINITY ein Blackout verhindert
Lithium-Batterien liefern bis sie leer sind, sehr hohe Ströme und werden dann plötzlich vom BMS abgeschaltet. Das ist wie bei einem Motor. Wenn der Tank leer ist geht nicht mehr. Auf der INFINITY habe ich zur Lösung des Problems ein mehrstufiges Konzept:
Betriebsparameter der Batterie überwachen
Wenn man die Batterie nicht ganz leer macht und sie rechtzeitig auflädt, gibt es keinen Blackout. Da im NMEA2000 Netzwerk alle Betriebsparameter der Batterie zur Verfügung steht kann man auf jedem Display irgendwo den SOC (State Of Charge) anzeigen lassen. Mit diesem kann man sofort sehen wie viel Prozent Ladung noch in der Batterie sind. Mit Hilfe des CERBO GX kann definieren ab welchem SOC ein akustischer Alarm ausgelöst wird.
Wenn mir die Ladung zu gering wird, kann ich den Generator starten und die Batterie wieder aufladen. Zusätzlich kann man bei Bedarf den CERBO GX so einstellen, dass er den Generator (bei einem frei definierbaren SOC) automatisch startet und dann auch wieder abschaltet.
Puffer-Batterie für essenzielle Verbraucher
AIS, Funk und Navigation haben auf der INFINITY einen eigenen, galvanisch getrennten Stromkreis. Dieser wird über ein DC-DC Ladegerät Orion-Tr 24/12-20 aus dem 24V Netz gespeist. Der Stromkreis wird über eine 12V AGM-Batterie mit 55Ah im Standby gepuffert. Dadurch ist sicher gestellt, dass bei einem Blackout die essentiellen Verbraucher weiter laufen.
Notfall-Konzept über Emergency Switch
Sollte es auf der INFINITY zu einem Blackout kommen, der sich nicht kurzfristig beheben lässt, kann man über einen Emergency Switch die Batteriebank für den Motorstart (24V 140Ah) auf den Service-Stromkreis des Bootes schalten. Dadurch hat man für den Fall, dass es größere Probleme mit den Batterien gibt, erst mal Strom im Schiff. Das funktioniert auch in die andere Richtung. Sollten die Starterbatterien versagen, kann man über eine entsprechende Stellung der Hauptschalter mit der Service Batterie Starthilfe für den Motor geben.
Wenn alle Batterien versagen kann man den MultiPlus Lader/Inverter mit Hilfe des Generators als Netzgerät (70A), ganz ohne Batterien betreiben. Der MultiPlus erkennt automatisch wenn keine Batterien vorhanden sind und muss nicht extra umkonfiguriert werden. Der Generator hat eine eigene, völlig getrennte Starterbatterie (12V 145Ah).
Sollte auch der Generator versagen haben wir für den Notfall einen mobilen 2kW Honda Generator als Backup an Bord. Sollte der MultiPlus versagen haben wir als Backup ein mobiles Kennlinien-Ladegerät von CTEC an Bord (24V, 14A)
Der Emergency Switch ist ein Hilfsmittel ausschließlich für den Notfall, wenn alle anderen Sicherungsmaßnahmen und Redundanzen versagen. Ziel ist dass er nie zum Einsatz kommen muss.
Laden bei Temperaturen unter 0°C
Ein Problem mit Lithium Batterien ist das Laden bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Das BMS verhindert zum Schutz der Batterien zuverlässig, das sie unterhalb dieser Temperatur geladen werden können. Auf der INFINITY sollte es damit eigentlich keine Probleme geben, da ich normalerweise das Boot auch im Winter innen frostfrei halte. Man kann ja aber nie wissen.
Entladen darf man Lithium Batterien bis zu einer Temperatur von -20°C bevor das BMS abschält. Das ist jedoch einen Temperatur die nicht so ohne weiteres, in einem Schiff das sich im Wasser/Eis befindet, erreicht werden kann.
Die einfachste Möglichkeit die Batterie auf eine Ladefähige zu erwärmen ist die Entnahme von hoher Energie. Wenn ich z.B. den Wasserkocher (2kW) mit dem Inverter betreibe, kann ich die Erwärmung der Batterie direkt auf den Instrumenten sehen. Bei einer Anfangstemperatur von 5°C erwärmt sich die Batterie alle 5 Minuten um 1°C wenn ich sie mit 2kW belaste.
Unabhängig davon laufen auf der INFINITY zwei Heizungsrohre der Warmwasserheizung unterhalb der LFP-Batterie. Ich musste nur die thermische Isolierung in diesem Bereich entfernen und die Batterie hat dadurch quasi eine Fußbodenheizung.
Die Betrachtung der Kosten
Als Reaktion auf den ersten Teil dieser Serie, hat mich Freundin Susanne Huber-Curpey (SY Nehaj) nach einem Vergleich der Kosten und Zyklenzahlen gefragt. Das ist ein sehr interessanter Gedanke, den ich hier gerne aufnehme.
Kosten AGM-Batteriebank
Die von mir ersetzten AGM Batterien, waren vom Hersteller RPOWER und ich war mit denen sehr zufrieden. Ich hatte 4 Batterien mit 12V und 260Ah verbaut. Verschaltet waren sie zu einer Batteriebank mit 24V Nennspannung und 520Ah. Bei einem Listenpreis von 608,90€ pro Batterie kostet ein neuer Satz Batterien ca. 2.435,–€
Laut Datenblatt machen die Batterien bei 50% Entladetiefe (DOD) ungefähr 500 Ladezyklen mit. Das bedeutet, dass man über die Lebensdauer der Batteriebank 3.120 kWh laden und wieder entladen kann. Die reinen Speicher-Kosten liegen damit bei ca. 0,78€/kWh
Kosten LFP-Batterie
Die auf der INFINITY eingesetzte LFP-Batterie ist eine von MG Energy Systems der LFP-Series mit 25,6V Nennspannung und 280Ah. Der Listenpreis für die Batterie beträgt 5.236,00€. Das zugehörige Master BMS habe ich bei der Berechnung weg gelassen, da es nach dem Lebensende der LFP-Batterie nicht mit ausgetauscht werden muss.
Laut Datenblatt hat die Batterie bei 80% Entladetiefe (DOD) eine Lebensdauer von mindestens 3.500 Ladezyklen. Der Hersteller definiert als Lebensdauer, dass die Batterie noch 70% ihrer Kapazität hat. Das bedeutet, dass man über die Lebensdauer der Batterie 20.070 kWh laden und wieder entladen kann. Die reinen Speicher-Kosten liegen damit bei ca. 0,26€/kWh
LFP-Batterie | AGM-Batteriebank | |
---|---|---|
Nennspannung in V | 25,6 | 24 |
Kapazität in Ah | 280 | 520 |
Ladezyklen laut Datenblatt | 3.500 | 500 |
bei Entladetiefe (DOD) | 80% | 50% |
Speicherbare Energie in kWh während der Lebensdauer 1 | 20.070 | 3.120 |
Kosten Anschaffung | 5.236,00 € | 2.435,00 € |
Speicher-Kosten pro kWh | 0,26 € | 0,78 € |
1 Berechnung: Nennspannung x Kapazität x DOD x Ladezyklen / 1000
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anschaffungskosten für eine Lithium-Batterie mehr als doppelt so hoch sind. Gerechnet auf die Lebensdauer ist die AGM-Batteriebank jedoch drei mal so teuer wie die eine Lithium-Batterie. Die Praxis wird zeigen, ob das tatsächlich so ist. Ich bin mal gespannt und werde berichten.
Wichtige Anmerkungen zum Schluß
Achtung, Lithium-Batterien (wie auch AGM-Batterien) liefern sehr hohe Ströme von mehreren hundert Ampere und sind gefährlich! Alle Arbeiten an der Bordelektrik dürfen nur von Elektrofachkräften durchgeführt werden. Alle Informationen auf dieser WEB-Site gebe ich nach bestem Wissen weiter und ich übernehme keine Haftung für die Richtigkeit. Es geht bei der vorliegenden Serie um Wissensvermittlung. Ich will keine Laien dazu animieren, selbst Hand anzulegen, sondern warne diese ausdrücklich davor, das zu tun!
Zu meiner Person: Vor dem Abitur habe ich eine entsprechende Ausbildung gemacht und bin eine von der IHK geprüfte Elektrofachkraft. Seit fast 10 Jahren arbeite ich beim Alfred-Wegener-Institut als Ingenieur in der Polarforschung. Dabei beschäftige ich mich unter Anderem mit der Auslegung und dem Bau von autonomen Messstationen in Polargebieten. Da Lithium-Batterien auch in meiner beruflichen Tätigkeit eingesetzt werden, habe ich mehrere Fortbildungen inkl. Prüfungen zu dem Thema gemacht.
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